Extra-Geld für mehr Busse und Bahnen - 30.1.24

Für einen besseren Nahverkehr sollen Kommunen eine neue Abgabe einführen dürfen

Ein neuer Mobilitätspass soll den ÖPNV stärken. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Von Karin Ballarin

Stuttgart

Mehr Geld für besseren Nahverkehr: Danach strebt Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) seit Jahren. Wo zusätzliches Geld herkommen soll, weiß er schon: Von allen Bürgern, vielleicht auch nur von Arbeitgebern oder von Autobesitzern. Darüber könnten bald Gemeinderäte und Kreistage überall im Land streiten. Zumindest aus Baden erfährt Hermann Rückendeckung. Ein Überblick:

Worum geht es?

Minister Hermann will einen sogenannten Mobilitätspass einführen. Dieser ist eine zusätzliche Einnahmequelle, die Kreistage oder Gemeinderäte beschließen müssten. Hermann spricht von vier möglichen Varianten, wer zur Kasse gebeten werden soll. Wie etwa in Frankreich oder Wien könnten Arbeitgeber eine Abgabe zahlen, es könnten auch alle Bürgerinnen und Bürger zur Kasse gebeten werden, oder nur Besitzer von Autos. Die vierte Variante ist eine City-Maut wie sie etwa London und Mailand erheben. Wer in die Stadt fährt, muss zahlen. In Deutschland ist diese Idee bislang einzigartig. Grüne und CDU haben sie 2021 im Koalitionsvertrag verankert. Darin ist auch festgelegt, dass den Menschen das Geld, das sie für den Mobilitätspass zahlen, beim Kauf von Zeitkarten für den ÖPNV gutgeschrieben wird - etwa zum Kauf des Deutschlandtickets.

Was soll das bringen?

Hermann verfolgt zwei Ziele. Erstens soll frisches Geld den Nahverkehr stärken. Preise könnten sinken, vor allem das Angebot besser und der ÖPNV attraktiver werden. Zweitens sollen die Menschen motiviert werden, vom Auto auf Bus und Bahn umzusteigen. Das diene dem Klima, so Hermann. Das sei notwendig: „Der Verkehr hat in den letzten Jahren am wenigsten beigetragen zum Klimaschutz.“ Tatsächlich waren Verkehr und Wärmeerzeugung in den vergangenen Jahren die beiden Sorgenkinder bei der geplanten Reduktion von CO2-Emissionen.

Widerspricht sich das nicht?

Ein bisschen schon. Je mehr Menschen ihr Guthaben vom Mobilitätspass nutzen und auf den ÖPNV umsteigen, desto besser fürs Klima, desto weniger Geld zum Ausbau des Nahverkehrs. Da das Guthaben nicht für Einzelfahrscheine gilt, bleibt laut Hermann aber immer etwas übrig.

Lohnt es sich dennoch?

„Klar ist, dass in allen Fällen erhebliche Einnahmen erzielt werden können und der ÖPNV dadurch gestärkt werden kann“, sagt Hermann mit Verweis auf Modellrechnungen mit 21 Kommunen im Land. Diese zeigen, dass für große Städte wie Stuttgart eine City-Maut besonders lukrativ sei. Bei einer Straßennutzungsgebühr von 25 Euro pro Tag seien so zwischen 24 und 87 Millionen Euro pro Jahr zu generieren. Für den ländlichen Raum sei diese Methode jedoch ungeeignet, sagt am Montag in Stuttgart auch Frank Scherer, parteiloser Landrat im Ortenaukreis. „Es wird Richtung Einwohnermodell gehen müssen.“ Laut Modellrechnungen könnten damit im ländlichen Raum bei zehn Euro pro Monat und Einwohner zehn bis 16 Millionen Euro eingenommen werden. Neben höheren Ticketpreisen oder mehr Steuergeld aus dem kommunalen Haushalt hält Scherer diesen dritten Weg einer Finanzierung für sinnvoll, wie er sagt. Er freue sich auf die Diskussion im Kreistag.

Ist der Mobilitätspass beliebt?

Die Angst vieler Kommunalpolitiker vor eben jenen Diskussionen ist groß. Noch eine Belastung für die Bürger, die durch Inflation und Kostensteigerungen gebeutelt sind? Wohl auch deshalb hat Hermann am Montag neben Landrat Scherer auch die Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) aus Karlsruhe und Martin Horn (parteilos) aus Freiburg zur Unterstützung herangezogen. Beide sprachen von millionenschweren Löchern, die der ÖPNV jährlich in ihre städtischen Haushalte reiße. Seine Stadt habe einen Klimamobilitätsplan verabschiedet, der ohne zusätzliche Einnahmequelle aber keine Chance auf Umsetzung habe, erklärt Horn. „Ich habe natürlich wenig Lust, Freiburger und Freiburgerinnen Geld abzuknöpfen, aber wir brauchen doch kreative Wege für einen besseren, leistungsfähigen und attraktiven ÖPNV.“

Wirtschaftsverbände wehren sich bereits gegen eine Arbeitgeberabgabe, da diese die Wettbewerbsfähigkeit des Landes schwäche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund argumentiert indes, dass dies die gerechteste Finanzierungsvariante sei.

Hermann spricht von einer geringen Belastung. „Man könnte auch sagen: Zwei Bier pro Monat oder ein Burger, und man hat einen guten ÖPNV.“ Mit Verweis auf seine drei Unterstützer sagte er, dass Baden offenbar eher bereit sei, den Aufstand zu proben, als Württemberg. „Ich hoffe sehr, dass dieses innovative Finanzierungsinstrument nicht gleich wieder kaputt geredet wird von Bedenkenträger.“

Wann kommt der Mobilitätspass?

Das ist die große Frage. Das Instrument soll im Landesmobilitätsgesetz geschaffen werden. Über dieses ringt gerade die Landesregierung, nachdem die CDU-Fraktion Hermanns ersten Entwurf vor einem Dreivierteljahr kategorisch abgelehnt hatte - unter anderem, weil sie einen immensen Aufwuchs an Bürokratie befürchtete. Er hatte eine Einigung vor Weihnachten erwartet, so Hermann. Die Zeit dränge. „In dem Punkt bin ich stur“, betont Hermann, „wir haben einen Auftrag im Koalitionsvertrag.“ Zumal eine von ihm beauftragte Forsa-Umfrage jüngst zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich mehr als 80 Prozent der Befragten für eine Mobilitätsgarantie aussprechen und sich 75 Prozent bereit zeigen, dafür mehr zu zahlen.

Für Thomas Dörflinger, Abgeordneter aus Biberach und Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion, muss Hermann noch liefern. „Wir haben uns im Landeskonzept Mobilität und Klima darauf verständigt, dass in einer Kommune zunächst die Mobilitätsgarantie erreicht sein muss“, sagt er. „Nur wenn man das Angebot darüber hinaus verbessern möchte, kann man zum Mobilitätspass greifen.“ So sehe es auch der Gesetzentwurf vor, erkärt Hermanns Sprecher. Vor allem der ländliche Raum seinoch weit von den Standards einer Mobilitätsgarantie entfernt, die mindestens einen Halbstundentakt im ÖPNV vorsieht, erklärt Dörflinger. Zudem habe Hermann jüngst selbst eine Mobilitätsgarantie wegen Personalmangels erst ab 2030 angekündigt. Außerdem betont Dörflinger: „Die vier Finanzierungsvarianten stehen nicht im Koalitionsvertrag. Im Landesmobilitätsgesetz brauchen wir erst mal den Nachweis dafür, dass es keine Doppelbelastung geben wird.“ Diese ist im Koalitionsvertrag ausgeschlossen.

Copyright Schwäbische Zeitung - Ausgabe Biberach "Süden" vom 30.01.2024

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